Es gibt dieses neue Phänomen, über das gerade alle reden: die „Vanilla Boys“. Junge Männer, die so unfassbar nett, rücksichtsvoll und angepasst sind, dass sie… langweilig werden. Keine Ecken, keine Kanten, keine Position. Immer höflich, immer einverstanden, immer darauf bedacht, ja niemandem auf die Füße zu treten. Und während das im Privaten vielleicht noch süß sein mag, wird es in der Geschäftswelt zum Problem.
Die Verwechslung von Respekt und Unterwürfigkeit
Lasst mich eins klarstellen: Respekt ist nicht verhandelbar. Respekt vor Frauen, vor Kolleginnen, vor Geschäftspartnerinnen – selbstverständlich. Aber irgendwo auf dem Weg zur Gleichberechtigung haben manche Männer offenbar vergessen, dass Respekt nicht bedeutet, sich selbst unsichtbar zu machen.
Ich erlebe es ständig in Meetings: Männer, die bei jeder Aussage einer Frau nickend zustimmen, ohne eine eigene Meinung beizusteuern. Die in Verhandlungen einknicken, bevor überhaupt verhandelt wurde. Die sich entschuldigen, bevor sie ihre Idee überhaupt zu Ende gedacht haben. Die „Ist das okay für dich?“ fragen, wenn sie eigentlich ihre Position vertreten sollten.
Das ist nicht Respekt. Das ist Vanilla-Business.
Was fehlt: Männlichkeit ohne Machogehabe
Ich will keine Alphatiere, die den Raum dominieren. Ich will keine Mansplainer, die mir die Welt erklären. Ich will auch keine toxische Konkurrenz. Aber verdammt noch mal, ich will Männer, die eine Haltung haben und die auch vertreten.
Männlichkeit im positiven Sinne bedeutet:
– Eine klare Position einnehmen und diese begründen können
– In Verhandlungen standhaft bleiben, ohne aggressiv zu werden
– Widerspruch aushalten und zurückgeben können
– Verantwortung übernehmen, statt sich rauszuhalten
– Konflikte nicht scheuen, sondern konstruktiv austragen
Die Angst vor dem falschen Ton
Viele Männer haben inzwischen so viel Angst, etwas Falsches zu sagen oder falsch zu wirken, dass sie gar nichts mehr sagen. Sie wollen auf keinen Fall als „alter weißer Mann“ dastehen, als mansplainend oder übergriffig gelten. Das ist verständlich, aber es führt zu einer Lähmung, die niemandem hilft.
Eine Kollegin neulich zu mir: „Ich vermisse manchmal die Reibung. Die produktive Spannung, wenn zwei Leute unterschiedlicher Meinung sind und trotzdem respektvoll miteinander ringen. Stattdessen gibt jeder nach, und am Ende haben wir Konsens-Brei.“
Was wir wirklich brauchen
Wir brauchen Männer, die verstehen, dass Gleichberechtigung nicht bedeutet, dass alle gleich sein müssen. Die ihre Stärken einbringen, ohne sich dafür zu entschuldigen. Die widersprechen können, ohne persönlich zu werden. Die Führung übernehmen, ohne andere zu übergehen.
Respekt bedeutet, mich als Geschäftspartnerin ernst zu nehmen – nicht, mich wie rohes Ei zu behandeln. Respekt bedeutet, mir auf Augenhöhe zu begegnen – nicht, mir nach dem Mund zu reden. Respekt bedeutet, meine Kompetenz anzuerkennen – nicht, vor ihr zurückzuschrecken.
Der Unterschied zwischen stark und dominant
Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen einem Mann, der stark in seiner Position ist, und einem, der dominant auftritt. Der dominante Mann muss recht haben. Der starke Mann vertritt seine Meinung, kann aber auch zuhören. Der dominante Mann braucht Unterwerfung. Der starke Mann schätzt Widerspruch.
Genau diese Art von Stärke fehlt mir manchmal. Diese klare, unaufgeregte Männlichkeit, die weder unterwürfig noch überwältigend ist. Die einfach ist.
Ein Plädoyer für mehr Profil
Also, liebe Männer in der Geschäftswelt: Traut euch. Habt eine Meinung. Verteidigt sie. Streitet mit mir – respektvoll, aber bestimmt. Fordert mich heraus. Lasst euch von mir herausfordern. Steht zu eurer Männlichkeit, ohne euch dafür zu entschuldigen oder sie als Waffe einzusetzen.
Wir Frauen sind stark genug, um mit eurer Stärke umzugehen. Tatsächlich wünschen sich viele von uns genau das: Männer mit Rückgrat, die nicht bei jeder Gelegenheit einknicken, die Position beziehen und gleichzeitig respektvoll bleiben können.
Vanilla ist schön – für Eis. Im Business brauchen wir mehr Geschmack, mehr Würze, mehr Charakter. Von allen Seiten.
Und nein, das ist keine Aufforderung, wieder zum Macho zu werden. Es ist eine Einladung, authentisch männlich zu sein – mit allem, was dazugehört.
